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Dipl.-Ing. Architektin, Master Eng. Building Restoration
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MAI Alumni-Quedlinburg Exkursion 2015
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Exkursion Quedlinburg vom 19.-21.Juni 2015

Quedlinburg – UNESCO-Welterbe! Ein Schlagwort wie ein vorauseilender Donnerhall. Gedanken, Bilder, Assoziationen schießen mir unweigerlich durch den Kopf, was uns erwarten würde. Fachwerkromantik, was sonst. Wir fuhren mit den abgemachten Vorstellungen im Gepäck zunächst Richtung Hannover, vorbei an Goslar, den Harzrand entlang. In der alten Wassermühle fanden wir einen geeigneten Ort uns am Vorabend zusammenzufinden. Eine schon gewohnt heitere Stimmung stellte sich unvermittelt ein, eine gute Voraussetzung für das gemeinsame Wochenende.

Der fachkundige Führer der Bauverwaltung holte uns am Roland ab, der sicherlich schon wärmere Junitage erlebt haben dürfte. In direkter Nachbarschaft hinter dem Haus Grünhagen erfuhren wir von der Quedlinburger Balliste, eine erhaltene Bogenarmbrust von 1326. Die Art ihrer Holzverbindungen soll Einfluss auf die Entwicklung des Fachwerkbaus genommen haben. Vom Schuhhof auf dem Weg in die „Hölle“ wurden die ersten Verzierungen der Balkenköpfe und Schwellenhölzer bestaunt. Die heimischen Zimmerleute haben hier eine eindrucksvolle eigene Bautradition hinterlassen.

Kein Brand, kein Krieg hat diese Stadt erlebt. Auch die Armut der DDR bewahrte den Kern vor Flächenabrissen und fragwürdigen Neubauten. Die Wende, der unbeirrbare Wille der Stadtpolitik, Eigentümer und Förderer haben hier ein besonderes Denkmal erhalten. Letzten Endes ist das Miteinander der Alteingesessenen und Neubürger eine Erfolgsgeschichte für sich. Die hiesige Denkmalbehörde lies zu, dass die Fassaden zum Hof weitreichend verändert werden durften. So waren auch großflächige Verglasungen und Aufzüge an mehrgeschossigen Kaufmannshäuser möglich, um die Häuser langfristig bewohnt zu halten.

Zeugnis aus der frühen Phase der Holzverbindungen ist der Ständerbau aus dem 14. Jahrhundert, der das Fachwerkmuseum beherbergt. Seiner Konstruktion nach hätte es 50-60 Jahre überdauern sollen und steht nach 600 Jahren immer noch. Es muss ein sehr hoher und grade gewachsener Baum gewesen sein, aus dem die 6m hohen Ständer gebeilt wurden. Die Deckenbalken stecken sich durch die Ständer und sind mit einem Zapfenschloss gesichert.
Die verdiente Pause machten wir bei Frau Schnittchen am Schloßberg. Ein klitzekleines Café, doch geräumig genug um unsere Gruppe aufzunehmen. Sehr liebevoll zubereitete Speisen und Getränke stärkten uns für den Nachmittag.

Noch immer in Entdeckerlaune folgte die Münzenbergbesteigung. Die Tochter Kaiser Otto I, Mathilde, war Äbtissin und eine der mächtigsten Frauen des Reiches. Sie führte zeitweise die Regentschaft des Reiches während sich ihr Neffe, der amtierende Kaiser Otto III. in Italien aufhielt. Unter Ihrer Amtszeit erhielt Quedlinburg das Münz-, Markt- und Zollrecht – ein Pfeiler der Entwicklung für die Stadt. Mathilde ließ auf dem Münzenberg das Marienkloster errichten. Nach der Reformation Ende des 16. Jahrhunderts siedelten einfache Handwerker und arme Leute in und um die Ruinen des Klosters. Heute bewundern wir die hergerichteten pittoresken Häuschen, die sich um den Berg drängen.
Leider musste die Führung durch die Glaswerkstätte am Nachmittag entfallen. Entdeckungen auf eigene Faust haben ja auch so ihren Reiz.

Als letzter Tagesordnungspunkt stand der Kaufmannshof Klink 10, auf dem Programm. Interessant, da noch in Umbau und aus Sicht des Eigentümers und Investors persönlich präsentiert. Traum und Albtraum vom Leben im alten Gehöft scheinen sich hier recht nahe gekommen zu sein. Missverständnisse zwischen Bauherr, Architekt und Denkmalpflege mussten ausgestanden werden. Bemerkenswert die Offenheit mit der die Bauherrin zu uns sprach. Wir wünschen an dieser Stelle viel Durchhaltevermögen und eine gutes Ende.

Am Sonntag erklommen wir den Schlossberg, auf dem die Kirche St. Servatius thront. In der dreischiffigen Basilika wurde der Stifter König Heinrich I. und seine Gemahlin Mathilde (Großmutter der vorgenannten Mathilde), sowie die Quedlinburger Äbtissinnen des Frauenstifts beigesetzt. Heinrichs Sohn Otto I. war der erste Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Im 10. Jahrhundert war der Ort politisches und geistiges Zentrum des Ostfränkischen Reiches. Im Jahr 937 fand in Quedlinburg der Reichstag statt. In den 30er Jahren missbrauchten die Nationalsozialisten die deutsche Geschichte und versuchten zu propagandistischen Zwecken einen Germanenkult aufzubauen.

Der Domschatz muss hier aber noch erwähnt werden, da an diesem kleinen Ort bemerkenswert erlesene Stücke zu sehen sind. Neben kostbaren Reliquien, enthält er den ältesten erhaltenen Knüpfteppich Europas und uralte Bibelfragmente aus dem 4. Jahrhundert! Allein die Geschichte um den verlorenen Schatz in den Nachkriegswirren bis zum Wiederauffinden und schließlich zur Rückkehr 1993 ist hoch spannend.

Nach so viel bewegender Kultur hatten wir uns eine Stärkung vor der Heimreise verdient. Begeistert entdeckten wir Quedlinburg als Mekka für Käsekuchfans und machten gleich die Probe aufs Exempel.
Quedlinburg – UNESCO-Welterbe, selbst erleben und erfahren bedeutet überrascht sein, seine eigenen Vorstellungen zurechtzurücken über die Detailvielfalt der hinterlassenen Baukunst und das unbeschreibliche Ausmaß dieses Flächendenkmals – die größte Fachwerkstadt Deutschlands.

Stand 16.März 2016

Blick vom Schlossberg